Der 10. Odenwälder First Responder Tag am 21.11.2020 fand online statt. Ausgerechnet zum Jubiläum des OFIRTA – Odenwälder First Responder Tag – konnte die Veranstaltung nicht in der Buchener Stadthalle stattfinden.
„Bereits im Frühjahr war uns klar: wir können nicht über 300 Einsatzkräfte aus mehreren Bundesländern für eine Fortbildungsveranstaltung zusammenholen. Der erste Impuls war: dann fällt das eben aus!“, so Priv.-Doz. Dr. Harald Genzwürker, Sprecher der Gruppe Leitender Notärzte und Organisator des OFIRTA. Im Zusammenwirken der Blaulichtorganisationen wurde dann aber eine überaus erfolgreiche Lösung gefunden, denn die Buchener Feuerwehr konnte dank vorhandener Technik und kompetenter Helfer eine hochprofessionelle Online-Veranstaltung ermöglichen. Medienprofi Matthias Grimm, der auch von Beginn an für die Homepage der Fortbildungsreihe verantwortlich zeichnet, ermöglichte über 400 angemeldeten notfallmedizinisch Interessierten die Teilnahme an der Jubiläumsveranstaltung, die aus der Feuerwache übertragen wurde.
Rund um die Uhr sind First Responder, also qualifizierte Ersthelfer oder „Helfer vor Ort“ (HvO), in ihren Gemeinden einsatzbereit, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken und so ehrenamtlich teils unmittelbar lebensrettende Hilfe zu leisten. Für diese unentbehrlichen Helfer organisieren die Leitenden Notärzte in Kooperation mit dem Förderverein psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Neckar-Odenwald-Kreis jährlich eine Fortbildungsveranstaltung. Vorrangige Zielsetzung der Veranstaltung ist es, durch gemeinsame Fortbildung verschiedener Fachdienste die Zusammenarbeit bei der Notfallversorgung immer weiter zu optimieren. Dank der Unterstützung mehrerer Sponsoren kann dieses Angebot seit der ersten Auflage im Jahr 2011 kostenlos angeboten werden.
Zum Jubiläum gratulierte der Innenminister des Landes Baden-Württemberg Thomas Strobl den Einsatzkräften per Videobotschaft und dankte für die Tätigkeit rund um die Uhr. „Sie leisten einen unschätzbaren Dienst an den Menschen. Ihr Einsatz ist Lebens-notwendig“, würdigte der Minister das Engagement für den Nächsten. Dieser Botschaft schloss sich in der Feuerwache der OFIRTA-Schirmherr Landrat Dr. Achim Brötel an, der den hohen Stellenwert des Ehrenamts in diesem Bereich würdigte und sich bereits auf weitere Jubiläen freute. Den Glückwünschen und dem Dank an die Einsatzkräfte schlossen sich vor Ort auch der Hausherr der Feuerwache Bürgermeister Roland Burger sowie per Videobotschaften die Bundestagsabgeordneten Nina Warken und Alois Gerig an.
Dankbar für die vielfältige Unterstützung, welche den OFIRTA möglich macht, begann Priv.-Doz. Dr. Harald Genzwürker, im Hauptberuf Ärztlicher Leiter der Neckar-Odenwald-Kliniken, die Reihe der Vorträge mit seinem Beitrag „Reanimation in Zeiten von Corona“. Neben Aspekten des Helferschutzes in Pandemiezeiten war es dem Notfallmediziner aber ein besonders großes Anliegen aufzuzeigen, wie vor Ort aktiv daran gearbeitet werden kann, die Überlebenschancen beim Herz-Kreislaufstillstand zu steigern. Information und Ausbildung der Bevölkerung beispielsweise im Rahmen der Woche der Wiederbelebung, Steigerung des Bekanntheitsgrades der Notrufnummer 112, telefonische Unterstützung der Laien durch die Leitstelle, Stärkung und Verzahnung der Systeme wie „Mobile Retter“ und Helfer-vor-Ort-Gruppen, die Verfügbarkeit von Laien-Defis oder AEDs nannte er als Beispiele, um künftig noch viel mehr „Geschichten vom (Über-)Leben“ erzählen zu können. „Wir müssen die Rettungs-Kette ergänzen zu einem Rettungs-Netz, das den Patienten mit Kreislaufstillstand auffängt“, appellierte Genzwürker an das Zusammenwirken aller Ebenen, von der Leitstelle über die Einsatzkräfte, die Kliniken, aber auch die Entscheider auf politischer Ebene und die Kostenträger.
Nahtlos an die Überlegungen zur Steigerung des Anteils von Laien, die sich beim Kreislaufstillstand die lebensrettende Herzdruckmassage zutrauen, schloss sich der Vortrag von Jovin Bürchner an, im DRK Landesverband Baden-Württemberg zuständig für die Bereiche Jugendrotkreuz, Schule und Schulsanitätsdienste. Er stellte die Landesinitiative „Löwen retten Leben“ unter Schirmherrschaft von Kultusministerin Susanne Eisenmann vor, mit der Schülern an allen weiterführenden Schulen Basiskenntnisse der Wiederbelebung vermittelt werden sollen. Seit dem Start der Initiative 2015 wurden über 3.000 Lehrkräfte ausgebildet, und jeder teilnehmenden Schule konnte ein Set von 15 einfachen Übungspuppen zur Verfügung gestellt werden. „In Baden-Württemberg macht Wiederbelebung Schule“, konnte Bürchner von mittlerweile über 100.000 Schülern berichten, die so mit diesem wichtigen Thema in Kontakt kamen. Auch im Neckar-Odenwald-Kreis war er gemeinsam mit Dr. Genzwürker bereits aktiv und freut sich, dass inzwischen andere Bundesländer die Konzeption übernehmen.
Einen speziellen Bereich der Wiederbelebung griff Dr. Niko Schneider von der Sektion Notfallmedizin der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Heidelberg auf, der als Notarzt auf dem Christoph 53 regelmäßig auch im Neckar-Odenwald-Kreis im Einsatz ist. Mit einer Arbeitsgruppe widmet er sich der Verbesserung von Reanimationsmaßnahmen bei Schwerverletzten, für die es besonderer Kenntnisse und Ausstattung bedarf. Deshalb wurde auch ein für Deutschland einzigartiges Projekt initiiert: mit dem „Medical Intervention Car“ rücken qualifizierte Notfallmediziner mit Zusatzausbildung aus, um in der Region die Einsatzkräfte vor Ort bei ganz besonders herausfordernden Einsätzen zu unterstützen. In sehr anschaulichen Fallbesprechungen zeigte er unter anderem auf, wie beispielsweise bei Stichverletzungen im Brustkorbbereich durch eine Thorakotomie, also die Eröffnung des Brustkorbs an der Einsatzstelle bei einem Teil der Patienten eine Rettungschance besteht, die bisher die Klinik nicht lebend erreichen.
Im letzten Vortrag setzte sich Henning Waschitschek vom DRK Kreisverband Mosbach mit ethischen Fragen rund um die Wiederbelebung auseinander. Der seit vielen Jahren im Team der PSNV (Psychosoziale Notfallversorgung) im Neckar-Odenwald-Kreis engagierte Notfallsanitäter konnte aus eigener Erfahrung berichten, wie wichtig die Anwesenheit von Angehörigen während einer Reanimation für diese sein kann – gerade, wenn alle Bemühungen der Einsatzkräfte nicht erfolgreich sind. Anhand verschiedener Fälle schilderte er eindrücklich das Spannungsfeld, in dem die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Retter tätig werden, wenn es buchstäblich um Leben und Tod geht. Dabei betonte er, dass der freiwillige und ebenfalls komplett ehrenamtliche PSNV-Dienst nicht nur den Angehörigen von verstorbenen Notfallpatienten wichtige Hilfe leistet, sondern insbesondere auch Einsatzkräften aller Organisationen Unterstützungsangebote nach belastenden Erfahrungen anbietet.
Abschließend fasste Dr. Genzwürker die verschiedenen Aspekte dieses Fortbildungstages nochmals zusammen und ermunterte die ehren- und hauptamtlichen Rettungskräfte, ihr Engagement für das Gemeinwohl fortzusetzen. Wichtige Helfer im Hintergrund waren auch beim Jubiläums-OFIRTA die Mitglieder des Kreisauskunftsbüros unter Federführung des DRK Hettingen, die sicherstellten, dass bereits kurz nach Veranstaltungsende die Teilnahmebescheinigungen versandt werden konnten. „Der Termin für den OFIRTA 2021 steht fest – wir haben für den 20. November die Buchener Stadthalle reserviert“, schloss der Notfallmediziner den Fortbildungstag. Ob eine Präsenzveranstaltung stattfinden kann, erneut ein Online-Format oder eine Hybridveranstaltung stattfindet, das würden die nächsten Monate zeigen.
Die gesamte Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann unter www.ofirta.com/live aufgerufen werden.
Vortrag 2: "Non scholam…" – Was tun wir in den Schulen?
Vortrag 3: Bringt doch eh nix!" – Reanimation nach Trauma und das MIC
https://www.ofirta.com/rueckblicke/45-2020-wiederbelebung-in-zeiten-von-corona.html#sigProId6d816f2e05